Xxv. §. 10. Deutschlands sittliche und politische Wiedergeburt. 025
Kräfte, seine Person, sein Leben, sondern sein Letztes und Bestes, sein
Größtes und Schönstes gab Jeder freiwillig und freudig hin, nicht um
desto größere Belohnungen zu erwerben, nicht um den angeborenen Tha-
tendurst zu befriedigen, nicht um die auch sonst gewohnte Lebensweise
nur auf einem andern Schauplatz weiter zu führen, nicht um aus
drängenden äußeren Verhältnissen sich zu retten — nein nicht für sich,
nicht für die Seinigen — für Freiheit und Recht, für König und Va-
terland opferte ein Jeglicher auf, was er hatte oder was er hoffte.
Familienvater ihre feste Stellung, ihren ruhigen Besitz, ihr Geschäft,
ihre Verbindungen, die gewohnten Lebensgenüsse, den Umgang mit
Weib und Kind, Jünglinge ihre Aussichten, ihren eben angetretenen
Beruf, ihr höchstes Erdenglück, ihre bräutliche Liebe. Greise kamen
aus ihrem behaglichen Ruhewinkel, Knaben von ihren Schulbänken
und Spielplätzen. Da stellte sich der Regierungsbeamte neben den
Bauer und Tagelöhner, da reihte sich der gelehrte Professor dem Hand-
werker an; es war nur ein Gefühl, nur ein Gedanke in Allen, und
darin waren sie Alle gleich: hinaus, hinaus, zum Kampf für deutsche
Ehre, deutsche Freiheit, deutsche Sitte, deutsche Zucht. O wie schwol-
len da die Herzen beim Klange der kriegerischen Hörner, höher noch
beim Gesang jener urkräftigen Freiheitslieder eines Arndt, Körner,
Fol len, Schenkendorf. Da wehrte keine Mutter ihrem Sohne,
keine Braut ihrem Geliebten fortzuziehen; sie grämten sich nur, daß
sie die Themen nicht begleiten konnten. Daheim aber, was schwach
und gefesselt zu Hause bleiben mußte, das gab doch Alles, auch das
Letzte hin, den letzten Schmuck, das letzte Pferd, das letzte Kleid, daö
letzte Brod, daß es den ausziehenden Freiwilligen nicht fehle. So
ward ganz Preußen ein Waffenlager, und mehr als das, es ward
eine große, große Betkammer. Wie haben da die Alten und die
Jungen wieder beten gelernt, zu Hause und im Heere, wie war ihr
ganzes Herz dabei und drängte und stürmte das ewige Gottesherz,
daß doch endlich, endlich das Elend sich wenden und Sieg und Se-
gen wiederkehren möge. Aber derherr machte es auch hier wie er eö
immer macht. Nicht dem ersten, gleichsam versuchsweisen Bitten, Ru-
fen und Anklopfen läßt er eö sofort gelingen, sondern erst wo die Sehn-
sucht und das Verlangen zugleich mit der Erkenntniß der eignen Ohn-
macht tief unter sich gewurzelt hat und eine unwiderstehliche Macht
geworden ist, erst da öffnet er die Gnadenthür, und laßt nun erst die
Fluth seiner Segnungen Welle auf Wette Hereinbrechen.
So ging's den Preußen. Nach den ersten leichten Erfolgen gegen die
Franzosen, die nur dazu dienen sollten, die Begeisterung zu nähren, die
v. Rohden, Leitfaden. ^0
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TM Hauptwörter (200): [T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T111: [Kind Mutter Vater Eltern Frau Jahr Knabe Schule Haus Mann], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T54: [Staat Zeit Volk Deutschland Leben Reich Jahrhundert Macht Entwicklung Gebiet]]
32
Iv. §. 2. Sündliches Verderben der Cananiter.
Miffethat: Hoffart und Alles vollauf, und guter Friede; aber dem
Armen und Dürftigen halfen sie nicht, sondern waren stolz und tha-
ten Greuel vor mir. Und dabei hatten sie ihres Wesens kein Hehl,
sondern rühmten ihre Sünde und verbargen sie nicht (Jes. 3, 9).
Welch eine unglaubliche Frechheit und Schamlosigkeit, daß die ganze
Stadt Sodom, Jung und Alt, das ganze Volk aus allen Enden vor
Lot's Haus kam, und forderten die zwei schönen Fremdlinge von
ihm, um ihre hündische Unzucht mit ihnen zu treiben. Und selbst
die Besten unter ihnen, Lot's Eidame, da er ihnen das nahende
Verderben ankündigte, hatten keine Spur von Gewissensschrecken, son-
dern cs war ihnen lächerlich.
Schon hatte der Herr sie durch ein kurz vorhergehendes Gericht
warnen lassen, da Kedorlaomer mit seinem Heere hereinbrach
und schlug den König von Sodom sammt seinen Genossen und allem
Volk, und nahmen alle Speise und alle Habe und zogen davon.
Hätte man nicht denken sollen, sie würden sich's haben zur Warnung
dienen lassen? Aber als der Herr kam und Nachsuchung hielt, fand
er keine zehn Gerechte, ja ikicht Einen in der Stadt, außer Lot. Da
kehrete er die Stätte um und machte daraus ein ewiges Denkmal sei-
ner Gerechtigkeit, die sich nicht spotten läßt. Dieselbe Gesinnung, die-
selbe viehische Gemeinheit wie in Sodom, dieselben Greuel eines un-
züchtigen Götzendienstes (1 Kön. 21, 26) hatten sich seitdem unter
sämmtlichen Cananitern bis zur höchsten Verruchtheit gesteigert,
da kam Jsrael's Racheschwert über sie und raffte sie alle dahin.
Bei den hamitischen Cananitern finden wir dieselben Charakter-
züge wieder wie bei den hamitischen Aegyptern. Freche Hoffart und
Grausamkeit*) und schamlose Unzucht. Was wird uns doch alles er-
zählt schon von Esau's cananitischen Weibern, die der Rebecca so
viel Herzeleid machen, daß sie nicht mehr leben mag; von der Schän-
dung der Dina in Sichem, von der greulichen Unfläthigkeit der canani-
tischen Männer und Weiber in 1 Mos. 38. Aus ihren Sitten kann
man auf ihre Religion schließen. Ihr Götzendienst ruhte auf denselben
Grundlagen, wie der ägyptische und findet sich durch das ganze vor-
dere Asien in den mannigfachsten Formen, aber in der Hauptsache im-
mer übereinstimmend wieder. Es waren die zeugenden und empfan-
genden, die lebenschaffenden und verderbenden Kräfte der Natur, die
sie als männliche und weibliche Gottheiten verehrten. Statt des ägyp-
tischen Osiris trat in Asien der Baal hervor, der zeugende Sonnen-
gott, und statt der Isis die Aschera, die empfangende Erdgöttin.
*) Man denke an Adoni Bezek's 70 Könige mit verhauenem Daumen unter
seinem Tische (Nicht. 1, 7).
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Extrahierte Ortsnamen: Sodom Sodom Sodom Sichem Asien
Iv. §. 3. Jsrael's Ankunft zumfi Verderben für die Cananitcr.
33
Ihnen gegenüber fteht die wilde, kriegerische Ast arte und der Alles
verderbende und verschlingende Moloch. Diesem Verderber, kein
Moloch, wurden die schrecklichen Feueropfer gebracht, die Kinder,
welche in den Armen des glühenden Götzenbildes verbrannt wurden.
Von tiefem gräßlichen cananitischen Götzendienst sagt die Schrift Ps.
106, 37 f.: sie dieneten ihren Götzen und opferten ihre Söhne und
Töchter den Teufeln, und vergossen unschuldiges Blut, das Blut ihrer
Söhne und Töchter, die fte^opferten den Götzen Canaan's, daß das
Land von Blutschulden beflecket ward. Vor diesem Greuelwesen war-
net der Herr die Israeliten 5 Mos. 18, 9—12; „Du sollst nicht thun
den Greuel dieser Völker, daß nicht unter dir gefunden werde der sei-
nen Sohn oder Tochter durch's Feuer gehen lasset, oder ein Weissager,
oder ein Tagewähler oder der auf Vogelgeschrei achtet, oder ein Zau-
berer oder Beschwörer oder Wahrsager oder Zeichendeuter oder der die
Todten frage. Denn um solcher Greuel willen vertreibt sie der Herr
dein Gott vor dir her." Wohin die Phönizier kommen und sich nieder-
lassen, sei es zu Lande oder zur See, dahin verpflanzen sie diesen
schrecklichen Götzendienst. Nicht ohne Schauder berichten eine große
Anzahl heidnischer Schriftsteller von dem grauenhaften Verbrennen der
Kinder auf den phönizischen Colonieen in Afrika, Spanien u. s. w.
Der in Tyrus am meisten verehrte Gott hieß Melkarth (beiden
Griechen Herakles) und war eine Zusammenfassung des Baal und
Moloch-, wie solche bei den Asiaten häufiger vorkommt. Er stellt die
Sonne dar in ihrer wohlthätigen und lebenerweckenden, aber auch in
ihrer versengenden und zerstörenden Kraft. Ihm gegenüber steht die
Astarte, die finstere, strenge, schweigende Göttin, die durch Ver-
stümmelung und Entmannung verehrt wurde, die Nacht- und Mond-
göttin. Aber der Melkarth verfolgt sie mit seiner glühenden Leiden-
schaft nach Westen hin bis an das Ende der Erde. Da endlich ergiebt sie
sich ihm und nun wird aus der finstern Ast arte die lockende Asch er a,
die Geburtsgöttin, die ganz besonders in Sidon und auf der von Si-
doniern besetzten Insel Cypern verehrt wurde. Diese Asch er a (von
Luther gewöhnlich „Hain" übersetzt) ist recht eigentlich die Göttin der
Wollust. In ihren Tempeln wurden die ekelhaften Orgien gefeiert, da
Weiber und Jungfrauen (aus Frömmigkeit!) ihre Keuschheit opferten
und durch wollüstige Fleischesfeier sich dem Dienst dieser Hurengöttin
weihetcn. Das Alte Testament ist voll von Warnungen an die Israeli-
ten, sich vor der Nachahmung solcher Greuel zu hüten, und voll trauriger
Beispiele, daß sie es nicht gethan (Rieht. 2, 13. 3, 7. 6, 25. 10, 6.
1 Sam. 7, 3. 12, 10 u. s. w.).
§. 3. Jsrael's Ankunft zum Verderben für die
Cananiter.
Nach der langen Läuterungszeit in der Wüste kam das Volk
Israel von Osten her an die Grenzen Canaan's, ungefähr da, wo
der Jordan sich in's todte Meer ergießt. Erst diesseit des Jordan
sollte ihr Nachewerk an den Cananitern beginnen, denn erst da be-
v. Rvhden, Leitfaden. 3
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T11: [Reich König Land Stadt Jerusalem Jahr Syrien Sohn Aegypten Zeit], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern]]
TM Hauptwörter (100): [T22: [Gott Zeus Sohn Tempel Göttin König Held Mensch Opfer Erde], T26: [Gott Christus Christ Volk Herr Jahr Kirche Land Zeit Jude], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T89: [Stadt Spanien Insel Land Jerusalem Reich Afrika Jahr Araber Herrschaft], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
TM Hauptwörter (200): [T120: [Gott Göttin Zeus Tempel Sohn Gottheit Priester Erde Mensch Opfer], T189: [König Reich Land Volk Israel Zeit Jahr Stadt Babylon Sohn], T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat], T179: [Gott Mensch Wort Welt Erde Glaube Herr Sünde Himmel Satz], T124: [Wasser Luft Sauerstoff Körper Stoff Kohlensäure Teil Feuer Pflanze Kalk]]
Extrahierte Personennamen: Luther
Extrahierte Ortsnamen: Afrika Spanien Tyrus Sidon Cypern Israel
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X. §. 3. Sitte und Religion der Griechen.
sammt allen anderen schönen Künsten, weiter die einzelnen Gegenstände
der Schöpfung, das Meer und die Ströme, die Berge und die Bäume,
ja der Tod und die Hölle selbst gestalteten stch in ihrer übersprudelnden
Phantaste in schöne Gottheiten um, deren Kreis natürlich niemals ab-
geschlossen ist, sondern immer neuen Götterheroen, vergötterten Men-
schen und verkörperten Begriffen den Zutritt offen läßt. Statt der
alten pelasgischen Naturgottheiten bildeten ste stch ihpe Götter zu sitt-
lichen Gestalten aus. Der Lichtgott Apollo ward ein Gott der sittli-
chen Reinheit, Kunst und Unmuts der alte Himmelsgott ward zum
olympischen Zeus, dem hochgebietenden Schirmherr des ewigen Rechts,
die alte Gewittergöttin ward zur Pallas Athene, dem Ideal jungfräu-
licher Reinheit und maßhaltender Thatkraft. Die Wollustgöttin der
Phönizier, deren Cultus die Hellenen schon auf griechischem Boden vor-
fanden, ward zur Aphrodite, zur Göttin der Liebe und Schönheit und
weiblichen Anmuth, die finstere Nachtgöttin Astarte ward zur Artemis,
zur ersten Göttin strenger Jungfräulichkeit. So gewannen alle die
alten Göttervorstellungen Gestalt und Leben. Ein oberster Götterkreis
thronte nach der allmälig sich festsetzenden Vorstellungsweise im ewigen
Genüsse aller Schönheit und Lieblichkeit sinnlichen Genusses auf dem
Berg Olympos, der in das Himmelsgewölbe hineinragte. Der Götter-
vater Zeus stand an der Spitze, neben ihm seine Gattin, die Hera, dann
seine zahlreichen Kinder, endlich seine Geschwister Hestia und Poseidon
und Pluto. Die beiden letzteren als Beherrscher des Meeres und der
Unterwelt nehmen aber keinen Antheil an den olympischen Freuden,
sondern haben in ihren Reichen einen besondern Hofstaat und zahlreiche
Heere untergeordneter Gottheiten zu ihrem Dienst. Die Erde ist ebenfalls
von ungezählten Schaaren niederer Gottheiten und Halbgötter bevölkert.
Da wimmeln die Berge und Wälder von Oreaden und Dryaden, da
hat jedes Flüßchen, jeder Ouell seine Nymphe, da halten die Faunen
und Satyrn ihre ausgelassenen Tänze, und jedes Haus und jeder Heerd
steht unter dem Schutz seiner besondern Gottheit. Zu Ehren dieser
Götter sah man aller Orten geweihte Stätten, Bilder, Altäre und
Tempel; da wurden Gebete verrichtet, Weihgeschenke gebracht, Opfer
geschlachtet; es wurden Feste gefeiert mit feierlichen Umzügen, Gesängen
und Tänzen. Der Wille der Götter wurde erfragt aus dem Fluge
der Vögel, aus den Eingeweiden der Ovferthiere, und die Stimme
der heiligen Orakel insonderheit zu Delphi und Dodona machte in dun-
keln Sprüchen die verschleierte Zukunft kund.
Da nun das Laster stets unschön ist, so mußte jede hervortretende
Lasterhaftigkeit von dieser Religion der Schönheit ausgeschlossen sein.
Man muß dabei aber nicht an Laster in unserm Sinne denken. Denn
unter Sünde verstanden die Griechen etwas ganz Anderes als wir. Nicht
eine sittliche Schuld war ihnen die Sünde, sondern ein Verstoß gegen
die geheiligten Ordnungen des Staates oder der Sitte, und eine Ver-
letzung der schönen Lebensformen, unter welchen Ehre und Ruhm vor
den Menschen obenan steht. Tiefere Fragen der Sittlichkeit und Reli-
giosität scheinen stch später in die Reste des alten pelasgischen Cultus
zurückgezogen zu haben, in die sogenannten Mysterien, die auö Festen
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T22: [Gott Zeus Sohn Tempel Göttin König Held Mensch Opfer Erde], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz]]
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